Peer Tutoring ist eine spezielle Form des Peer Learnings, bei dem ausgebildete Tutor*innen ihre Kommiliton*innen beim Lernen unterstützen.

Um erfolgreiches Peer Tutoring zu ermöglichen, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, die in den folgenden Abschnitten dargestellt und erläutert werden.

Grundlage für diese Informationen sind die Quellen, die in der rechten Spalte angegeben werden.

Theorie

Das Konzept des Peer Tutorings soll ermöglichen, dass Studierende in einem akademischen Kontext von- und miteinander lernen können. Dies beruht auf der Idee, eine Lernsituation zu schaffen, die auf Augenhöhe stattfindet und damit alle am Gespräch, an der Diskussion oder an der Gruppenarbeit Beteiligten als Expert*innen anzuerkennen und wertzuschätzen.

Peer Tutoring stößt dabei autonome und studierendenzentrierte Lernprozesse an, konstruiert interaktiv Wissen und unterstützt Tutor*innen und Tutee in ihrer sowohl akademischen als auch persönlichen Kompetenzentwicklung.

Institutionelle Voraussetzungen

Wer ein Peer Tutoring-Projekt an seiner Institution starten möchte, ist häufig mit Ängsten und Vorbehalten seiner Kolleg*innen und der Studierenden konfrontiert. Diese sollten ernst genommen und bearbeitet werden, um eine gute institutionelle Grundlage für das Peer Tutoring zu schaffen. Die häufigsten Ängste sind:

  • Peer Tutoring bedroht Jobs,
  • senkt die Qualität und den Standard der Lehre,
  • hat keine theoretische Grundlage,
  • lässt sich nicht benoten.

Darauf sollte mit Info-Veranstaltungen und Workshops für Lehrende und Studierende reagiert werden. Wichtig ist dabei:

  • Klare Definition

Um Missverständnisse und Enttäuschungen zu vermeiden, sollten Zielsetzung und Umsetzung eines Peer Tutoring-Projekts möglichst klar dargelegt werden.  Es muss deutlich sein, dass das Projekt in klaren Grenzen stattfindet und nicht jegliche Form des Lernens in Zukunft Peer Learning sein soll. Vor- und Nachteile sollten deutlich gemacht und die Rolle der Peer Tutor*innen sehr klar definiert werden. 

  • Sichere Arbeitsplätze

Lehrende geben beim Peer Tutoring einen Teil ihrer "Macht" und ihrer Kompetenzen an die Studierenden ab. Sie müssen ihre Rolle als Lehrende neu definieren: „away from the authority figure“ zum „instructor of the students themselves“ (Felchikov, 129). Das kann Ängste wecken - vor allem in einem Arbeitsklima, in dem der eigene Job unsicher erscheint.

  • Beweise liefern

Studien und andere Belege für den Erfolg des Programms sammeln und verbreiten: „The best public relations is good news spread by a successful programme“ (Felchikov, 129).

 Beispiel

Ziele eines Projekts:

To give school pupils support in learning mathematics and science by the provision of undergraduates as tutors; to assist first-year undergraduates in the transition from school to university by the provision of mentoring by second-year undergraduates.

Beweise/Evaluation:

First-year physics students who receive help in mathematics from third- year physics students will achieve X points better in testY than students from a matched control group who do not receive tutoring but who spend an equal amount of time in normal classroom instruction.

(Felchikov, 136)

 

Setting

Der Zusatzaufwand für Peer Tutoring-Projekte sollte möglichst gering gehalten werden. Wieviel Zeit und Arbeit Tutor*innen und Tutees investieren müssen, sollte  klar abgesteckt und nicht zu hoch angesetzt sein. Das Peer Tutoring sollte sich flexibel dem Stundenplan der Studierenden anpassen können oder am besten in bereits bestehende Stundenpläne/Lehrveranstaltungen integriert werden, damit es nicht als zusätzlicher Aufwand wahrgenommen wird.

Die Räumlichkeiten sollten leicht zu erreichen und möglichst eher klein sein, um eine angenehme Atmosphäre zu ermöglichen (keine Hörsäle, eher halbprivate Orte wie Cafeteria etc.). Auch sollte die Umgebung den Tutee willkommen heißen und freundlich wirken (Pflanzen, farbenfrohe Poster, gemütliche Stühle etc.). Schreibdedarf oder Wörterbücher und ähnliches sollten in Reichweite sein, damit ein ungestörtes Arbeiten auch bei Unklarheiten wie z.B. der Rechtschreibung gewährleistet werden kann.

Das Schreibzentrum der Viadrina zum Beispiel bietet einen Raum, in dem komfortables wie auch erfolgreiches Lernen möglich gemacht wird. Durch die Wohnzimmeratmosphäre fühlen sich Tutee sowie natürlich auch Tutor*in wohl. Das Selbstlernzentrum bietet neben gemütlichen Sitzmöglichkeiten auch Arbeitsflächen sowie eine Reihe von Fachliteratur und Filmmaterial, das benutzt und gegebenenfalls auch ausgeliehen werden kann. 

Atmosphäre

Die Zuteilung von Tutor*innen zu Tutees sollte gemeinsam entschieden werden, um gegenseitige Sympathie als Arbeitsgrundlage sicherzustellen. Freunde sollten nicht füreinander als Peer Tutor*innen fungieren, da hier verschiedene soziale Rollen miteinander kollidieren.

Die Tutor*innen sollten unterstützt werden durch: 

  • Ansprechpartner,
  • gemeinsame Events (z.B. Parties),
  • klares und gut strukturiertes Material.

Methodik

Welche Strategie sollten Tutor*innen verfolgen, um die Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen zu schaffen?

Das Motto für Peer Tutor*innen lautet: „ask more and tell less.“

Die bestmöglichen Lernergebnisse erzielen Tutees nicht dadurch, dass ihnen direkte Hilfe durch Erklärungen und das Nennen der Antwort gegeben wird.

Vielmehr ist es sinnvoll ihnen in ihrem Lernprozess auch die Möglichkeit zu geben, in eine Sackgasse zu geraten. Hierbei sollte ihnen nicht durch Erklärungen sondern vielmehr durch Nachfragen ermöglicht werden den Weg selbst aus der Sackgasse heraus zu finden und Lösungen zu entwickeln.

Die sogenannten „zero-content prompts“, also Erwiderungen ohne viel Inhalt, motivieren die Tutees weiter nachzudenken und so selbst die Lösung zu finden.

Erst wenn die Tutees auch nach längerem Nachdenken zu keiner Lösung kommen, sollte mit Erklärungen geholfen werden eine Antwort zu finden.

Es hat sich als weitaus effektiver herausgestellt, kurze Erklärungen abzugeben als lange Vorträge zu halten. Kurze Erklärungen können leichter aufgenommen und verstanden werden. Bei längeren Ausführungen nimmt die Konzentration zu schnell ab und die Informationen werden nicht mehr verarbeitet.

Tutor*innen

Tutor*innen müssen strukturell, emotional und inhaltlich auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden. Sie müssen sich genauso wie Lehrende an ihre neuen Rollen gewöhnen: Sie sollen nicht mehr einfach passiv aufnehmen, was die Lehrenden dozieren, sondern selbst aktiv werden.

Dazu ist auch Selbstbewusstsein notwendig: Tutor*innen erkennen, wieviel Kompetenzen und Wissen sie selbst schon haben. Auch von Vorteil sind das Interesse an verschiedenen Themen, die Fähigkeit zuhören zu können, Einfühlungsvermögen sowie Geduld.

Tutoren sollten konkret lernen:

• how to start a tutoring or mentoring session by establishing a friendly atmosphere;

• familiarity with the content of the tutees' syllabus;

• what to do when the tutee gives a correct answer;

• what to do when the answer is wrong;

• what to do if a session goes badly;

• how to vary the content of tutoring or mentoring sessions;

• how to end a tutoring session.

(Felchikov, 138)

Der Inhalt bzw. das Vorgehen als Peer Tutor*innen muss klar strukturiert sein, die Tutor*innen müssen auf sicheres Wissen zurückgreifen können und gleichzeitig nicht das Gefühl haben, sie müssten alles wissen oder können. Die Aufgabe besteht darin, den Tutor*innen deutlich zu machen: nicht Antworten geben, sondern Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Sie sollen nicht "little teachers" (Felchikov, 159) sein, sondern eben Peers, also Kollegen der Teilnehmer.

Für die Teilnahme am Peer Tutoring Programm und für die Ausbildung sollten Belohnungen vergeben werden, am besten in Form von Leistungspunkten, um die Motivation zu erhöhen und die Integration in den Studienalltag zu erleichtern.

Tutees

Ein Tutee nimmt an einem Peer-Tutorium teil, um beispielsweise mit einer Hausarbeit weiterzukommen, Blockaden zu lösen, sich auf das Auslandssemester vorzubereiten und allgemein Probleme im Studium zu überwinden.

Dabei ist es wichtig, dass Tutees offen für die  neue Situation sind. Viele Studierende geben an, dass sie ohne vorherigen Lehr-Input nicht lernen könnten. Diese Skepsis ist aber oft unbegründet; tatsächlich zeigen Stuiden, dass Peer Tutoring deutlich effitiver ist als zum Beispiel passives Zuhören in einer Vorlesung.

Tutees sollte bereit sein, mehr zu tun als auswendig zu lernen. Sie müssen die richtige Motivation mitbringen und die Initiative ergreifen. Dann können sie durch das Tutorium lernen, eigene Lernprozesse kritisch zu reflektieren. Sie brauchten außerdem den Willen sich weiterzuentwickeln, aktiv teilzunehmen und die Weiterentwicklung selbst zu fördern, ebenso wie Verantwortung für das eigene Lernziel zu übernehmen.

Die 7 goldenen Regeln

1. Ziele definieren

2. Rollen definieren

3. Tutoren und Mentoren ausbilden

4. Inhalt strukturieren

5. Tutoren und Mentoren unterstützen

6. Die Logistik so einfach wie möglich halten

7. Projekt evaluieren

(Feldchikov/Goodlad, 135-141)

 

 

Quellen

Felchikov, Nancy: Learning Together: Peer Tutoring in Higher Education. Routledge Falmer: New York, 2001.

Getty, Erin K.: The Dynamics of Passivity in Tutoring. Erschienen in: When Tutor meets Student, The University of Michigan Press, 2000.

Girgensohn, Katrin: Peer Tutoring - ein Format zur Stärkung von Schlüsselkompetenzen an Hochschulen. Erschienen in SQ-Forum: Schlüsselqualifikationen in Lehre, Forschung und Praxis, Ausgabe 01/2014.

Hansen, Edmund J.: The Ethics of Learner-Centered Education. Erschienen in: Taylor and Francis, 2011.

Ryan, Leigh; Zimmerelli, Lisa: The Bedford Guide for Writing Tutors. Erschienen in: University of Maryland, Bedford, 2002.

VanLehn, Kurt (et al.): Why Do Only Some Events Cause Learning During Human Tutoring? Erschienen in: Learning Research and Development Center University of Pittsburgh, 2003.

 

Impressum

Antonia Brauer, Dominic Doll, Nicola Meyer, Frederieke Reich, Lea Schneider (aka das Keksteam)